Merlot Reloaded: Ticino Bubbles

Da geht was: Leonce 2020 der Cantina Blass

Das Tessin und der Merlot, das ist eigentlich eine Erfolgsstory eher jüngeren Datums. Ab 1906 wurde er als Antwort auf die Reblaus-Plage erstmals gepflanzt und ab 1949 stark gefördert. Die Tessiner Talent-Scouts wurden auf ihrer Suche nach einem neuen Aushängeschild für den Kanton in Bordeaux fündig und haben mit dem Merlot eine Traubensorte zurück gebracht, die sich im alpin-mediterranem Klima mit seinen warmen Sommern und milden Wintern ähnlich wohl fühlt wie bei sich zuhause im Südwesten Frankreichs.

Vor lauter optimaler Reifebedingungen scheint man es sich dann aber im Merlot-Rausch etwas zu bequem eingerichtet zu haben und so richtig innovative Signale waren aus dem Tessin irgendwie lange nicht zu vernehmen: Die gleichen grossen Kellereien produzieren seit Dekaden die gleichen wohlfruchtigen Weine.

Aber langsam tut sich was: Adrien Stevens, Fawino, Vino Hauser setzen neue Impulse und suchen mit einer eigenen, frischen Stilistik ihren Platz im Weinkanton.

Und in Astano haben Gaby und Alex Blass 2019 die Cantina Blass aus der Taufe gehoben mit einem eindrücklichen Line-Up an charakteristischen, puristischen Weinen, die eine eigene Sprache sprechen. Es sind frische, moderne, naturnahe Weine – undogmatisch, aber mit einer klaren Handschrift. Weine zum Trinken, unkompliziert, aber mit Verve. Geschmacklich näher an der Loire und am Beaujolais als an Bordeaux.

Mit «Leonce» gibt es auch einen Petnat im Portfolio: Merlot-Rosé vom Saftabzug der Rotweine, ohne Zugabe von Schwefel, unfiltriert abgefüllt. Gut 600 Flaschen werden jeweils davon produziert und es lohnt sich, eine solche zu organisieren: Cremig, fruchtig im Geschmack, elegant-dezente Bubbles, die hedonistisch-fröhliche Seite des Merlots als Schaumwein interpretiert.

Leonce 2020, Cantina Blass (Tessin, Schweiz). Pét-Nat aus Merlot, 13%. Erhältlich direkt beim Weingut für CHF 22.-

Funkiness: clean | mild | wild

Backflip in die Schaumwein-Zukunft

Wildrose Riesling Petnat 2021 und Rosé Ancestral 2020 vom Weingut Rosner

Im Jahr 2010 absolvierte Stefan Rosner in London in einer Wein-Bar ein Praktikum und trank zum ersten Mal einen Pét-Nat, ohne aber überhaupt zu wissen, dass das ein Pét-Nat ist: Aus der Flasche eingeschenkt, ohne Label. Die Neugierde war geweckt und schon zwei Jahre später – mit 20 Jahren – begann Stefan selber im Familienweingut in Langenlois mit gärendem Most zu experimentieren. Seine Mission blieb seither konstant: einen guten Sekt zu machen, ohne Zusätze.

Wenn man die aktuellen Jahrgänge seiner beiden Schaumweine «Rosé Ancestral» und «Wildrose Riesling Petnat» im Glas hat, merkt man schnell: Mit dieser Mission ist Stefan gut auf Kurs.

Die beiden Weine sind glasklare, saubere Vertreter ihrer Art. Sie haben Charakter, sind frisch und deutlich als Weine mit Herkunft erkennbar. Beim Rosé Ancestral schmeckt man die knackige Beerenaromatik des Zweigelts, beim Wildrose Riesling Petnat sprüht ein Säure-Zitrus Feuerwerk aus der Flasche. Was auch ganz klar ist: Das sind keine funky Naturweine.

Das Weingut Rosner kann auf eine Familientradition seit 1897 zurückblicken. Seit 2006 wird es nach organisch-biologischen Richtlinien geführt, seit 2010 ist es offiziell zertifiziert. Insgesamt werden 17 Hektar bewirtschaftet, direkt um Langenlois in Niederösterreich. Seit 1995 führen Stefans Eltern Renate und Norbert Rosner das Weingut, aber Schritt für Schritt bringt Stefan seine Handschrift ein. Die «Wildrose» Linie entsteht bereits unter seiner Führung und ist die konsequente Orientierung an Low Intervention Grundsätzen, ohne aber eben Naturwein sein zu wollen. Stefan möchte die Frische und Kühle der Kamptaler Region in jedem seiner Weine zum Ausdruck bringen und im Austausch mit ihm merkt man schnell, wie viel Denkarbeit hinter seinem Ansatz und seinen Entscheidungen steht. Da ist ein Wein-Denker am Werk, der sich und seine Weine weiterentwickeln will.

Die Eleganz im Rosé Ancestral? Kommt von der nur 50% Einpressung der ganzen Zweigelt-Trauben. Warum degorgieren? Um dem Kunden das Überschäumen zu ersparen. Die Klarheit im Ausdruck der beiden Weine? Kommt von der minimalen Schwefelung von 10 mg/l nach dem Degorgieren, weil dann die schützende Kraft der Hefen fehlt. Das beeindruckende Wechselspiel von fizzy Säure und Trinkzug-Struktur im Wildrose Riesling Petnat? Kommt von der Macération carbonique, wobei die Maischestandzeit ganz bewusst auf eine Woche begrenzt ist, um nicht zu viel Tannin im Wein zu haben.

Charakter-Weine ja, aber nicht durch Nichtstun. Das ambitionierte Handwerk von Stefan und die cleane Stilistik seiner Schaumweine verdeutlicht, dass er nicht über die Naturwein-Welt sondern eher über die Méthode Ancestrale zum Pét-Nat gekommen ist: Richtig guten Sekt zu machen durch Orientierung an der ältestmöglichen Produktionsmethode, kombiniert mit ständigem Lernen und Verbessern. Sozusagen ein Backflip in die Zukunft der Rosner Schaumweine. Das passt. Und schmeckt.

Verkostung

Wildrose Riesling Petnat 2021: Hellgelbe Farbe im Glas. Blumig fein in der Nase. Am Gaumen viel Zitrus, braucht etwas Zeit und Luft um weniger ungestüm zu wirken. Schöne Länge, fällt nicht ab und hat eine unglaubliche, schöne Breite im Abgang. Fizzy-Lemon-Party.

Rosé Ancestral 2020: Leichte , elegante Erdbeer-Aromen in der Nase und auch am Gaumen. Zu beginn viiiiiel Kohlensäure, entspannt sich dann und lässt den Beeren mehr Platz um sich zu entwickeln. Guter Trinkfluss, vielseitiger Essensbegleiter.

Beide Weine sind als Vertreter einer klassischen Linie ausnehmend schön, fein gemacht und vor allem der Wildrose Riesling mit seiner spannenden, belebenden Säure ist einzigartig und beeindruckend. Beide sind auch gut lagerfähig und dürften sich mit ein paar Jahren an zusätzlicher Reife weiter positiv entwickeln.

Wildrose Riesling Petnat 2021, Weingut Rosner (Kamptal, Österreich). Pét-Nat aus Riesling, 11.5%. Erhältlich direkt ab Weingut (ausverkauft) für EUR 17.-

Rosé Ancestral 2020, Weingut Rosner (Kamptal, Österreich). Pét-Nat aus Blauem Zweigelt, 11%. Erhältlich direkt beim Weingut für EUR 16.-

Funkiness: clean | mild | wild

Pet Nit vom Weingut Eichholz

Gelungene Premiere: Pet Nit von Johannes Hunger

Ein Wortspiel, kein Tippfehler: Weil der Pinot-Saft in der Gärung stecken blieb, kam es etwas anders als geplant – und statt prickelnden Bubbles gibt es eine sehr subtile Perlage. Macht aber nichts. Der wohl erste Wein, bei dem Irene Grünenfelders Sohn Johannes Hunger für Idee und Ausführung verantwortlich zeichnet, ist rundum gelungen. Schöne Pinot-Frucht, feine Aromen von Erdbeeren und Himbeeren, das ergibt viel Spass im Glas und bleibt dennoch dabei jederzeit seiner Herkunft aus einem der besten Häuser für Schweizer Pinot Noir treu.

Pet Nit 2019, Weingut Eichholz (Jenins, Schweiz). Pét-Nat aus Pinot Noir, 11.5%. Erhältlich direkt beim Weingut für CHF 27.-

Funkiness: clean | mild | wild

The Ruof is on Fire

Alles richtig so.

«Ein wenig Pinot aus Jenins». So bescheiden umschreibt Christof Ruof seinen Beitrag fürs Weinland Schweiz. Doch obwohl die Menge tatsächlich überschaubar ist, kommt man an seinen Weinen nicht so einfach vorbei. Sowohl sein Pinot-Flaggschiff wie auch der ungeschwefelt abgefüllte reine Mariafeld-Klon sind keine lauten Trommler, sondern feine und ehrliche Weine. Anspruchsvoll im Handwerk, unprätentiös direkt im Genuss. Mein persönlicher Favorit aus dem kleinen, aber feinen Sortiment von Christof ist und bleibt jedoch sein Petnat.

Gerade mal 300 Flaschen produziert Christof Ruof jedes Jahr von seinem Petnat, von der gleichen Parzelle in Jenins wie alle seine Weine. Und Jahr für Jahr liefert er ab und stellt für mich ganz einfach den Benchmark der Schweizer Natur-Bubbles dar. Pure, knackige Pinot-Frucht. Kunstvolle Balance zwischen Anspruch und Spass. Trinkfluss ohne Ende. Als Bonus oben drauf: Tipptopp sauber verarbeitet, eine leuchtende Farbe die jeden Insta-Account adelt und tiefe Alkohol-Volumen um die 11%.

Es lohnt sich übrigens, den Ruof Petnat nach etwas Standzeit im Keller leicht aus seinem Schlaf wachzurütteln und die abgelagerten Sedimente wieder in Umlauf zu bringen. Einerseits aktiviert das seine grossartige Farbe und er leuchtet wie ein Grapefruit-Erdbeeren-Smoothie. Andererseits geht geschmacklich nochmals mehr ab und der Wein wird etwas cremiger. Das trüb-stoffige steht ihm aus meiner Sicht grossartig. Aromatisch löst der Petnat das visuelle Versprechen ein und schmeckt nach Erdbeeren, Grapefruit, wilden Beeren, Sommer und Berge. Jupp, das geht. Eine knackige Säure rundet das Paket ab und macht ihn gefährlich gut trinkbar. Der 2020er ist dabei noch ein gutes Stück ungestümer als der 2019er, ohne dass die Hitze des Jahrgangs dominieren würde.

Pet Nat, Christof Ruof (Jenins, Schweiz). Pét-Nat aus Pinot Noir, 11.6%. Erhältlich bei More Than Wine und Les Amis du Chateau für ca. CHF 25.-

Funkiness: clean | mild | wild

Das Pét-Nat-Gambit: Vom Spleen zum Hit

Die Krawatte sitzt: Pet Nat Blanc 2019 von WeinSchach

Eigentlich ist es beim Pét-Nat ja so einfach: Gärender Wein wird in Flaschen gefüllt, wo er fertig vergärt und dabei eine leichte Kohlensäure entwickelt. Natural bubbles, very straight forward. Schaumwein ohne Schnickschnack, zugänglicher geht es nicht.

Entsprechend neugierig war ich, als ich im Sommer 2020 Post von Andreas aus Krems an der Donau erhielt. Andreas und seine Frau Martina sind die beiden Köpfe hinter «WeinSchach», einem neuen Modell von Weingut. Nur online, nur direkter Verkauf an Endkunden, gleicher Preis für alle. Wine for the people. Ohne Schnickschnack.

Das Sortiment von WeinSchach ist entsprechend einfach: 1x Rot. 1x Weiss. Ein knackiger, saftiger, frisch-würziger und sehr empfehlenswerter Blauer Zweigelt und ein etwas zuuu middle-of-the-road leicht-fruchtiger Grüner Veltliner. Und jetzt eben neu: Pét-Nat in weiss und rosé. Die Arbeit im Rebberg erfolgt so naturnah wie möglich, aber leider (noch?) nicht bio-zertifiziert.

Einen eigenen Pét-Nat herzustellen war zunächst ein Spleen und Experiment von Andreas – und die verschiedenen Artikel und Links hier auf dieser kleinen Website haben ihm auf seinem Weg zum ersten eigenen Pét-Nat geholfen. Da das österreichische Weingesetz zwischen 2.5 und 3 Bar die Grenze zwischen Perlwein und Schaumwein zieht, hat er sogar mit zwei Testreihen und unterschiedlichem Druck experimentiert – und sich dann für die gemütlichere, angenehmere Variante mit einer feineren Perlage entschieden. Passt!

Der Pét-Nat Blanc aus dem Jahrgang 2019 (Rosé war bereits ausverkauft) ist in der Nase fein hefig, klar und zeigt schöne Zitrus-Aromen. Beim ersten Schluck fällt noch eine recht starke Kohlensäure auf, die sich mit etwas Zeit aber legt. Andreas degorgiert seine Pét-Nats, damit sie keine exzessiven Depots haben – ich denke, dadurch gewinnen sie auch zusätzlich etwas Ruhe und Eleganz. Am Gaumen ist der Blanc recht cremig, Aromen von frischen Brötchen und Birnen zeigen sich. Die Textur ist breit und intensiv, hinten raus ist er dafür eher kurz und bleibt nicht lange haften. Ein unkomplizierter, schöner Pét-Nat der zu vielen Speisen passt; eine Wurst vom Grill wär grossartig.

Aus dem Test wurde mittlerweile ein Commitment. Die beiden Pét-Nats haben sich im Sortiment als Abverkaufshits bewährt und für den neuen Jahrgang haben Martina und Andreas bereits in einen Kühlcontainer investiert, um noch näher ans Wunschbild ‚ihres‘ Pét-Nats zu kommen. Insofern ist der 2019er eine Momentaufnahme und neue Jahrgänge werden hoffentlich noch eine Schippe mehr Charakter, Ecken und Kanten zeigen. Die Aufstellung im WeinSchach passt auf jeden Fall und die Züge werden den beiden so schnell nicht ausgehen.

Bereit für die Eröffnung: Weiss, Rot, Pét-Nat.

Pet Nat Blanc 2019, WeinSchach (Kamptal, Österreich). Pet-Nat aus Grünem Veltliner, 12,5%. Erhältlich bei WeinSchach für 19,90 € (ausverkauft).

Funkiness: clean | mild | wild

PetNat, Weingut zum Sternen: Premiere mit Stil

Nur eine von vielen verschiedenen Etiketten: Der PetNat vom Weingut zum Sternen schmeckt so frisch wie er aussieht.

Dieser Pét-Nat tanzt definitiv aus der Reihe. Wurde mit viel Mühe der individuelle Ausdruck einer einzigen Rebsorte herausgearbeitet? Nein. Trotzen die Winzer in einer abgelegenen Region ihren alten Reben unter widrigen Umständen mikroskopische Erträge ab? Definitiv nicht. Leben hier Aussteiger ihren Traum von naturnahen low-intervention Weinen? Fehlanzeige.

Dieser Pét-Nat ist das jüngste Kind des Weinguts zum Sternen. Unter den qualitativ hochstehenden, grösseren Weingütern der Schweiz ist es mit seinen ca. 25 Mitarbeitern mehr der Kategorie KMU denn den «artisans vignerons» zu zuordnen. Es bringt aber auch 500 Jahre Weinbautradition mit und hat mit dem Kloster Sion Reserve einen der besten Pinot Noirs der Schweiz im Angebot.

Und nun eben: Ein Pét-Nat. Und was für einer.

Da ich die Lancierung des Weines anfangs Jahr in Zürich verpasste, durfte ich die Weine mit etwas Abstand und mehr Ruhe im Juli zuhause probieren.

Was dem Wein an Naturwein-Credibility fehlt, macht er gewissermassen mit seiner irren Komposition wett. Nicht weniger als 200 Sorten von roten und weissen Trauben bilden nämlich die Basis dieses sehr frischen, subtil schäumenden Weines. Die biologisch gepflegten Trauben stammen aus der Rebschule Meier, die auch zum Weingut gehört und die grösste der Schweiz ist. 200, das ist viel. Von den einzelnen Traubensorten bleibt da nicht viel haften, aber da alle Trauben gleichzeitig und wohl auch tendenziell schon früh im Herbst geerntet wurden, resultiert daraus ein eleganter, lachsrosa-farbener Wein. Er ist vollmundig, schön cremig und zeigt leichte Aromen von Aprikosen und Beeren. Die Hefe ist dezent, es sind keine IPA-oder Cider-Noten präsent, wie sie oft bei kräftigeren, naturnaheren Pét-Nats zu finden sind.

Der Wein hält, was die optische Erscheinung verspricht: Ein leichter, erfrischender und sympathischer Pét-Nat mit Stil, der auch viele eher klassisch orientierte Weintrinker mit dieser Kategorie versöhnen dürfte. Die Premiere ist gelungen.

PetNat 2019, Weingut zum Sternen (Aargau, Schweiz). Pet-Nat aus 200 roten und weissen Traubensorten, 11% Vol. Direkt ab Weingut erhältlich für 25.-

Funkiness: clean.

De Facto, Domaine La Colombe

De Facto 2019: Elegant und frisch

Die Pet-Nat Szene in der Schweiz wird immer spannender. Neu auf dem Radar: Der «De Facto» von Laura Paccot. Die Domaine La Colombe hält bereits seit Jahren die Fahne für biodynamischen Weinbau im Waadtland hoch und ist bekannt für ihre terroir-betonten, feinen, mineralischen Chasselas. Die Eltern Raymond und Violaine Paccot haben die Basis für diesen Erfolg gelegt, nun übernimmt mit Laura Schritt für Schritt die vierte Generation. Die Grundphilosophie bleibt dabei unverändert: Den Charakter der jeweiligen Lagen herausarbeiten, mit moderatem Alkohol und schöner Säure. Daneben gibt es aber sicher noch mehr Raum für Experimente, wie zum Beispiel der gelungene De Facto zeigt, den ich auf Einladung von Laura kurz nach der Abfüllung probieren konnte.

White Pet-Nat
«Du raisin, sinon rien»

Der Pet-Nat folgt der klassischen Rezeptur: Spontan vergoren, unfiltriert, ohne Schwefel. Die Chasselas-Trauben kommen aus der Parzelle Non Servy in Aubonne, die 2000 gepflanzt wurde. Um die Frische zu bewahren, wurde 10 Tage früher als bei den anderen Terroirs geerntet, was auch in einem tiefen Alkoholgehalt von 10.6% resultierte.

Im Glas schäumt es zuerst kräftig – aber dann schält sich ein eleganter, feiner Wein aus dem Spektakel. Der De Facto ist kein Naturwein-Freak mit den üblichen Cidre, Most und IPA Aromen, sondern erinnert an einen puren, frischen Bergbach. Er riecht ganz fein nach Holunderblüten, ist fast filigran in der Aromatik, aber deutlich frischer als herkömmliche Schaumweine, auch als andere Pet-Nats. Im Gaumen fällt die vollmundige, breite Textur auf, er ist sehr mineralisch, schmeckt nur leicht nach Birne, Quitte, Aprikosen. Insgesamt bleiben auch weniger die Fruchtaromen in Erinnerung, sondern diese pure Frische und elegante Textur. Gefällt und macht Lust auf mehr, mehr De Facto und mehr helvetische Pet-Nats.

De Facto 2019, Paccot – Domaine La Colombe (Fechy, La Côte / Waadt, Schweiz). Pet-Nat aus Chasselas, 10.6% Vol. Ab Weingut erhältlich für 18.-

Funkiness: clean.

Pétillant Naturel, Weinbau Kunz

Pet-Nat Power

Einer der schönsten Aspekte des aktuellen Pét-Nat Trends ist die Kreativität und Experimentierfreude, die diese Weine unter Winzern stiften. Während entlang jahrzehntelangen Traditionen und strikten Richtlinien der lokalen Appellationen oft sehr schöne, aber selten überraschende Weine den Weg ins Glas finden, explodiert die Vielfalt an Pét-Nats gefühlt von Jahr zu Jahr. Nicht zuletzt der vergleichsweise kurze Weg vom Rebberg in die Flasche und zu den Konsumenten machen Pét-Nats zu einem zugänglichen Experimentierfeld für Winzer und so zu einer spannenden Sache für uns Weintrinker. Es entstehen unkomplizierte Weine für den Alltag, die von der Freude der Winzer an ihrem Handwerk zeugen.

Das gilt auch für den Pétillant Naturel von Hanspeter Kunz, seinem ersten Pét-Nat. Das Weingut Kunz ist ein Familienbetrieb in Fläsch in der Bündner Herrschaft und bewirtschaftet 4 Hektar Reben.

Der Pét Nat wurde aus Pinot Noir und Riesling-Sylvaner-Trauben gekeltert, produziert nach den Richtlinien der Integrierten Produktion. Der Wein durchlief eine kühle Spontanvergärung während 10 Tagen im Tank, bevor er danach in die Flasche gefüllt wurde und fertig gärte.

Das Resultat ist ein ziemliches Power-Paket. Stark schäumend kommt er ins Glas, mit einem hellen Lachsrosa. Während andere Pét-Nats eine fast cremige Textur und eine feine Perlage aufweisen, prickelt es hier fast bis ans Limit. Mit etwas Zeit im Glas wird er zugänglicher, es zeigen sich feinere Noten, etwas grüner Apfel, leicht Birne, Zitrus. Ein sehr frischer Wein, aber stilistisch kein typischer Pét-Nat, sondern geht mehr in die Richtung klassischer Schaumweine.

Pétillant Naturel (non vintage), Weinbau Kunz (Fläsch, Schweiz). Pét-Nat aus Pinot Noir und Riesling-Sylvaner, 11.5% Vol. In der Schweiz direkt beim Weingut erhältlich, 20.-

Funkiness: clean | mild | wild

Zweigelt Pet-Nat, Fritz Salomon

Im Nord-Osten von Österreich, gut 50km vor Wien, liegt das Weinbaugebiet Wagram: Ein langgezogener Hügelzug, wo auf eiszeitlichem Löss aromatische Weine angebaut werden. Hier ist auch das Gut Oberstockstall zuhause, das seit Jahrzehnten von der Familie Salomon geführt wird. Seit 2008 wird nach biodynamischen Grundsätzen gewirtschaftet. Eines der jüngsten Experimente ist ein eigener Pét-Nat, vinifiziert als Rosé-Variante aus Zweigelt.

Fritz Salomon / Gut Oberstockstall - Pet-Nat Zweigelt Rosé
Elegant, harmonisch, frisch.

Fritz Salomons Pét-Nat ist ein ruhigerer Vertreter dieser Weinkategorie. Hier zischt und sprudelt es nicht aus der Flasche, sondern perlt fein und elegant. Auch im Geschmack ist der Zweigelt-Rosé angenehm verhalten, das helle Lachsrot hält am Gaumen, was es auf den ersten Blick verspricht: Feine Aromatik (Himbeeren, Erdbeeren, Blüten), frisch und trinkig. Ein Pét-Nat der sich nicht in den Vordergrund drängt und auch für Weinfreunde zugänglich ist, die sonst keine Berührungspunkte mit Naturweinen haben.

Der Wein wurde unfiltriert abgefüllt, bzw. nicht degorgiert. Die dicke Sedimentschicht liegt kompakt unten am Boden (stehende Lagerung empfohlen) und kann je nach Präferenz auch leicht aufgeschüttelt werden – mir gefiel er jedoch klar/unbewegt am besten, da so sein elegant-harmonischer Geschmack optimal zum Ausdruck kommt.

Pet-Nat 2016, Fritz Salomon / Gut Oberstockstall (Kirchberg, Wagram, Österreich). Rosé Pét-Nat aus Zweigelt, 12,5% Vol. In der Schweiz erhältlich bei Haus Österreich für faire CHF 18.-

Funkiness: clean.