Merlot Reloaded: Ticino Bubbles

Da geht was: Leonce 2020 der Cantina Blass

Das Tessin und der Merlot, das ist eigentlich eine Erfolgsstory eher jüngeren Datums. Ab 1906 wurde er als Antwort auf die Reblaus-Plage erstmals gepflanzt und ab 1949 stark gefördert. Die Tessiner Talent-Scouts wurden auf ihrer Suche nach einem neuen Aushängeschild für den Kanton in Bordeaux fündig und haben mit dem Merlot eine Traubensorte zurück gebracht, die sich im alpin-mediterranem Klima mit seinen warmen Sommern und milden Wintern ähnlich wohl fühlt wie bei sich zuhause im Südwesten Frankreichs.

Vor lauter optimaler Reifebedingungen scheint man es sich dann aber im Merlot-Rausch etwas zu bequem eingerichtet zu haben und so richtig innovative Signale waren aus dem Tessin irgendwie lange nicht zu vernehmen: Die gleichen grossen Kellereien produzieren seit Dekaden die gleichen wohlfruchtigen Weine.

Aber langsam tut sich was: Adrien Stevens, Fawino, Vino Hauser setzen neue Impulse und suchen mit einer eigenen, frischen Stilistik ihren Platz im Weinkanton.

Und in Astano haben Gaby und Alex Blass 2019 die Cantina Blass aus der Taufe gehoben mit einem eindrücklichen Line-Up an charakteristischen, puristischen Weinen, die eine eigene Sprache sprechen. Es sind frische, moderne, naturnahe Weine – undogmatisch, aber mit einer klaren Handschrift. Weine zum Trinken, unkompliziert, aber mit Verve. Geschmacklich näher an der Loire und am Beaujolais als an Bordeaux.

Mit «Leonce» gibt es auch einen Petnat im Portfolio: Merlot-Rosé vom Saftabzug der Rotweine, ohne Zugabe von Schwefel, unfiltriert abgefüllt. Gut 600 Flaschen werden jeweils davon produziert und es lohnt sich, eine solche zu organisieren: Cremig, fruchtig im Geschmack, elegant-dezente Bubbles, die hedonistisch-fröhliche Seite des Merlots als Schaumwein interpretiert.

Leonce 2020, Cantina Blass (Tessin, Schweiz). Pét-Nat aus Merlot, 13%. Erhältlich direkt beim Weingut für CHF 22.-

Funkiness: clean | mild | wild

Wie schmeckt 2021?

Wie jedes Jahr durfte ich auch in diesem Winter den neuen Pet Nat von Christof Ruof probieren. Kurz vor Weihnachten landete das Paket bei mir und nach etwas Ruhe im Keller war es jetzt so weit: Der erste Schluck 2021. Der Pet Nat von Christof ist immer auch mein erster Kontakt mit dem jeweiligen neuen Jahrgang. Auf 2021 war ich ganz besonders gespannt, denn dass 2021 ein speziell schwieriger Jahrgang für die Winzer in der Schweiz und Europa war, dürfte kein besonders gut gehütetes Geheimnis sein. Ein «launischer» Jahrgang nennt es Christof, «die Hölle» sein Kollege Julien Guillon im Wallis: Ein kalter Sommer mit viel Regen, Pilzdruck, dazu je nach Lage Frost und Hagel. Dass es dennoch überhaupt neuen Wein aus 2021 gibt, ist dem harten Einsatz der Winzerinnen und Winzer durchs ganze Jahr hindurch zu verdanken. Ein durchschnittlich tieferer Ertrag von 20 bis 30% zeigt, wie schwierig die Situation war.

Es schwingt also eine grosse Portion Respekt und Dankbarkeit mit, als ich den Flaschenöffner beim Pet Nat 2021 ansetzte.

Wie schmeckt er denn jetzt, der Jahrgang 2021?

Während 2020 sehr direkt und offen in seinem fruchtigen Charme war, fast ungestüm kraftvoll und in der Farbe intensiv wie Grapefruitsaft, legt 2021 am Anfang mit deutlich stärkerer Säure los und zeigt mehr Zitrusaromen. Auch die Farbe ist anders, tendiert zu Lachsrosa. Erst mit etwas Zeit im Glas kommt dann diese typische Kombination der «Ruof Cremigkeit» mit den knackigen Beeren.

2021 braucht also Luft, wirkt zu Beginn noch sperrig und kantig. Die Säure trägt den Wein aber sehr stimmig und ich denke, dass er auch gut von etwas Flaschenreife profitieren kann. 2021 ist wohl der komplexeste der jüngeren Pet Nats von Christof Ruof.

Nach diesem ersten Preview auf 2021 bin ich sehr gespannt, wie andere Winzer den Jahrgang gemeistert haben und freue mich auf feine, energiegeladene Weine.

Pet Nat 2021, Christof Ruof (Jenins, Schweiz). Pét-Nat aus Pinot Noir, 11,7%. Erhältlich bei More Than Wine für CHF 28.-

Funkiness: clean | mild | wild

Pet Nit vom Weingut Eichholz

Gelungene Premiere: Pet Nit von Johannes Hunger

Ein Wortspiel, kein Tippfehler: Weil der Pinot-Saft in der Gärung stecken blieb, kam es etwas anders als geplant – und statt prickelnden Bubbles gibt es eine sehr subtile Perlage. Macht aber nichts. Der wohl erste Wein, bei dem Irene Grünenfelders Sohn Johannes Hunger für Idee und Ausführung verantwortlich zeichnet, ist rundum gelungen. Schöne Pinot-Frucht, feine Aromen von Erdbeeren und Himbeeren, das ergibt viel Spass im Glas und bleibt dennoch dabei jederzeit seiner Herkunft aus einem der besten Häuser für Schweizer Pinot Noir treu.

Pet Nit 2019, Weingut Eichholz (Jenins, Schweiz). Pét-Nat aus Pinot Noir, 11.5%. Erhältlich direkt beim Weingut für CHF 27.-

Funkiness: clean | mild | wild

Peaches!

Hier ist er also, der Sommer: In dieser Flasche. Herrlich cremig, intensiv-fruchtig, verspielt und doch ernsthaft. Strahlend, warm und lebhaft. Ein gehaltvoller, dichter Pét-Nat von Anne-Claire Schott, in dem sie die individuellen Stärken von Chasselas und Muscat ideal kombiniert. Hier passiert so viel gleichzeitig, dass ein Schluck schnell nach dem nächsten ruft – wie intensiv kann ein Wein nach Pfirsich riechen?

Pét-Nat 2020, Anne-Claire Schott (Twann, Schweiz). Pét-Nat aus Chasselas und Muscat, 12.1%. Erhältlich direkt beim Weingut für CHF 35.-

Funkiness: clean | mild | wild

The Ruof is on Fire

Alles richtig so.

«Ein wenig Pinot aus Jenins». So bescheiden umschreibt Christof Ruof seinen Beitrag fürs Weinland Schweiz. Doch obwohl die Menge tatsächlich überschaubar ist, kommt man an seinen Weinen nicht so einfach vorbei. Sowohl sein Pinot-Flaggschiff wie auch der ungeschwefelt abgefüllte reine Mariafeld-Klon sind keine lauten Trommler, sondern feine und ehrliche Weine. Anspruchsvoll im Handwerk, unprätentiös direkt im Genuss. Mein persönlicher Favorit aus dem kleinen, aber feinen Sortiment von Christof ist und bleibt jedoch sein Petnat.

Gerade mal 300 Flaschen produziert Christof Ruof jedes Jahr von seinem Petnat, von der gleichen Parzelle in Jenins wie alle seine Weine. Und Jahr für Jahr liefert er ab und stellt für mich ganz einfach den Benchmark der Schweizer Natur-Bubbles dar. Pure, knackige Pinot-Frucht. Kunstvolle Balance zwischen Anspruch und Spass. Trinkfluss ohne Ende. Als Bonus oben drauf: Tipptopp sauber verarbeitet, eine leuchtende Farbe die jeden Insta-Account adelt und tiefe Alkohol-Volumen um die 11%.

Es lohnt sich übrigens, den Ruof Petnat nach etwas Standzeit im Keller leicht aus seinem Schlaf wachzurütteln und die abgelagerten Sedimente wieder in Umlauf zu bringen. Einerseits aktiviert das seine grossartige Farbe und er leuchtet wie ein Grapefruit-Erdbeeren-Smoothie. Andererseits geht geschmacklich nochmals mehr ab und der Wein wird etwas cremiger. Das trüb-stoffige steht ihm aus meiner Sicht grossartig. Aromatisch löst der Petnat das visuelle Versprechen ein und schmeckt nach Erdbeeren, Grapefruit, wilden Beeren, Sommer und Berge. Jupp, das geht. Eine knackige Säure rundet das Paket ab und macht ihn gefährlich gut trinkbar. Der 2020er ist dabei noch ein gutes Stück ungestümer als der 2019er, ohne dass die Hitze des Jahrgangs dominieren würde.

Pet Nat, Christof Ruof (Jenins, Schweiz). Pét-Nat aus Pinot Noir, 11.6%. Erhältlich bei More Than Wine und Les Amis du Chateau für ca. CHF 25.-

Funkiness: clean | mild | wild

Kunst und Methode: Die Pét-Nats von Markus Ruch

An diesem Beitrag arbeite ich nun schon seit Monaten. Einerseits war es nicht ganz so einfach, an diese Weine zu kommen – andererseits habe ich einen sehr gesunden Respekt vor diesen Weinen, so dass ich mich nur ganz langsam wie ein schüchterner Asteroid auf einer gemütlichen Umlaufbahn dem Objekt im Zentrum zu nähern wagte.

Aber jetzt ist es soweit. Der Artikel steht und es gibt was zu lesen: Vorhang auf für die fein-sprudelnde Welt von Markus Ruch.

Markus muss man eigentlich nicht mehr vorstellen. Er ist eine der wenigen Ikonen der Schweizer Naturwein-Szene und geniesst sowohl hohes Ansehen und Glaubwürdigkeit im harten Kern der Szene, wird aber auch weit hinein ins klassische Lager geschätzt. Weil seine Weine einfach gut sind und weil er mit seinem Ansatz zwar sehr klar Position bezieht, aber eben nicht dogmatisch missionierend ist. Einen guten Teil seiner Produktion verkauft er mittlerweile über die Landesgrenzen hinaus – nach Skandinavien, London, Berlin.

Seit 2007 bewirtschaftet Markus seine Rebberge in und um Neunkirch im Kanton Schaffhausen. Er arbeitet biodynamisch und machte auf seinem Weg in die Selbständigkeit unter anderem Halt bei Christian Zündel im Tessin, Marie-Thérèse Chappaz im Wallis und Dominique Derain im Burgund. Mit viel Gespür für die einzigartigen, aber oft verkannten Terroirs im Klettgau hat er sich seine Lagen zusammengestellt. Dabei hat er immer wieder auch bestehende Rebberge übernommen und vor ihrer Rodung bewahrt. Sie bilden heute mit ihren alten Reben die Basis für seine ausdrucksstarken Weine. Vergoren wird mit natürlichen Hefen, ausgebaut mit sehr wenig Neuholz, vereinzelt auch in Amphoren. Wichtigste Sorte ist der Pinot Noir und damit verbunden der Wunsch aufzuzeigen, wie die verschiedenen Böden des Klettgau sich im Wein widerspiegeln. Ganze fünf Einzellagen füllt er dazu ab: Haalde, Chölle, Schlemmweg, Buck, Schumpen.

Pinot-Standard im Klettgau.
Und das ambitionierteste Pét-Nat Projekt der Schweiz.

Dazu gesellt sich seit ein paar Jahren das wohl ambitionierteste Pét-Nat Projekt der Schweiz. Und ironischerweise ist der Natursprudler nicht mal das eigentliche Ziel, sondern vor allem eine Übungswiese für ein anderes Projekt. Doch der Reihe nach.

Schon früh habe ich davon gehört, dass Markus Ruch einen Pét-Nat mache. Nur zu kaufen gab es den leider nirgends. Bei den Naturwein-Spezialisten von Cultivino, die fast alle Weine von Markus im Sortiment haben, wurde der Pét-Nat jeweils direkt an die Gastronomie verkauft, im Einzelhandel ist er gar nie aufgetaucht – bei einer Produktion von 300 bis 600 Flaschen auch keine grosse Überraschung.

Dann aber landete eines Tages doch noch eine Flasche auf meinem Tisch, über verschlungene Instagram-Wege organisiert von meinem Bruder und seiner Frau. Der Wein war grossartig und passte an einem warmen Sommer-Grill-Abend mit seiner kühlen, eleganten und sehr zurückhaltenden aber doch aromatisch-eigenständigen Art wie die Faust aufs Auge. Es war ein maischevergorener Müller-Thurgau 2018.

Ich war verliebt. Doch meine Begeisterung für diesen Wein wurde jäh gebremst.

«Den Müller-Thurgau möchte ich eigentlich rausrupfen.» Monate nach dem Grill-Abend telefoniere ich mit Markus, um mehr über seine Pét-Nats und seine Philosophie als Winzer zu erfahren. Schnell wird klar: Die 2018er Orange-Variante des MT war ein Unikat, 2019 wurde schneller abgepresst. An Gefälligkeit hat Markus kein Interesse, der Charakter des Müller-Thurgau ist ihm insgesamt zu wenig spannend. Ihn interessieren die Extreme: Ein karger, weisser Pinot, schmerzhaft früh geerntet, ein Benchmark für Acid Heads. Ein Pét-Nat also, der sich an der Zero Dosage Stilistik der Champagne orientiert. In dieser Kompromisslosigkeit erinnert mich Markus an einen Künstler. Er verfolgt eine klare, persönliche Stilistik. Das Publikum darf gerne dazu eine eigene Meinung haben, interessieren tut sie ihn absolut sekundär. Der Pét-Nat Pinot Noir 2019 hat eine unglaubliche Energie und spaltet mit seiner krassen Säure tatsächlich die Geister am Tisch. Mir gefällt der Stil, Fruchtaromen sind fast komplett abwesend aber der Wein leuchtet und strahlt eine athletische Eleganz aus, die sehr erfrischend ist. Gut möglich, dass er mit ein paar Jahren in der Flasche noch schöner wird. Anderen Mittrinkern ist er klar zu extrem und sauer.

Das andere Extrem von Markus Ruch ist das Herzensprojekt Cidre.

Die Mosterei Oswald+Ruch verwertet Früchte von vernachlässigten Obstbäumen in der Region und hilft so mit, dieses wertvolle Kulturgut und die natürliche Biodiversität zu erhalten. Die Erfahrung im Umgang mit den Pét-Nats fliesst direkt ein ins Projekt: «Wir konnten wertvolles Wissen rund um die Méthode Ancestrale aufbauen. Fehler machen, neugierig bleiben, Mut haben.» So kommt zum Beispiel der Saft sowohl von Trauben wie auch Äpfeln nach dem Pressen zunächst in den Kühlraum, um sich zu beruhigen und nicht wild galoppierend in die Fermentation zu starten.



Wie beim Pinot Noir ist auch beim Cidre die Vielfalt der Schlüssel zum Erlebnis: Aktuell sechs verschiedene Abfüllungen gibt es. Die verschiedenen alten Apfel- und Obstsorten sind gross auf den geschmackvollen Etiketten aufgeführt. Das weckt zwar die Neugierde, aber eine einprägsame Produktebezeichnungen ist «Bohnapfel Boskoop Surgrauech Berner Rose Blauacher Neunkirch 2019» dafür leider eher nicht.

Geschmacklich liegen die Cidres stärker in der klassischen Naturwein-Ecke als die Pét-Nats und sind mild funky. Vor allem der Bohnapfel Konstantinopeler… gefiel mir mit seiner herben, leicht säuerlichen und deutlich von der Hefe geprägten Art sehr gut. Die feine Aromatik der Apfelquitte gibt dem Wein zusätzlich Charme.

Der Bohnapfel Boksoop… ist halbtrocken ausgebaut. Die Süsse ist deutlich spürbar, trotzdem wirkt er weder fett noch klebrig, sondern bleibt fein und dank der Säure balanciert. Im Charakter ist er aber klar weicher, zugänglicher und trinkfreudiger.

Es bleibt mir, Markus für unser Gespräch und die zur Verfügung gestellten Weine zu danken. Der Einblick in seine Wein-Welt und Pét-Nat-Systematik ist unglaublich spannend und ich hoffe, dass er mit seiner an Qualität und Charakter orientierten Ancestral-Philosophie das eine oder andere zukünftige Talent inspiriert.

Klettgau Pinot Noir 2019, Markus Ruch (Neunkirch, Schweiz). Pet-Nat aus Pinot Noir, 10%. Erhältlich bei Cultivino für 22.-

Funkiness: clean | mild | wild

Bohnapfel, Konstantinopeler Apfelquitte, Pastorenbirne 2019, Mosterei Oswald+Ruch (Neunkirch, Schweiz). Cidre aus Apfel, Birne, Quitte, 5,7%. Erhältlich bei Cultivino und Selection Widmer für 15.- bis 16.-

Super Schluck, Fabien Henriot: Mini-Produktion, Maxi-Genuss

Super Schluck 2019

Diese Flaschen sind nicht ganz einfach zu bekommen. Zuerst ist da nur das Gerücht von einer Mini-Produktion in Neuchâtel. Dann findet man in einem Nebensatz auf einem Blog einen Namen. Und landet dann mit etwas Spürsinn auf einer Facebook-Seite: Les Vins du Fab. Fab, das ist Fabien Henriot. Und seine Produktion ist nicht nur klein, sondern mikroskopisch klein. Von dem hier vorgestellten weissen Viognier-Pet-Nat «Super Schluck» gibt es gerade mal 55 Flaschen. Beziehungsweise knapp 40 Flaschen, nachdem sie Fab noch degorgiert hat um Druck und Sediment zu reduzieren.

Wer hier am Werk ist, muss also ein ziemlicher Überzeugungstäter sein.

Der Viognier für diesen Pet-Nat stammt aus der Lage «Perrières» in La Neuveville, am Fusse des Juras. Die Reben wachsen hauptsächlich auf Böden aus Lehm und Kalkstein mit etwas Kies, sind schon gut 25 Jahre alt und werden von Jean-Daniel Giauque kultiviert – respektive: wachsen gelassen. Gräser, Kräuter und andere Pflanzen dürfen wild zwischen den Reben wachsen und die Laubwand bleibt oben offen. Fabien erzählte mir, dass jeweils zu Fuss fast kein Durchkommen mehr sei, bevor sie im Spätsommer mit der grossen Schere durch den Rebberg gehen.

Zum Wein: Der «Super Schluck» zeigt eine schön ausgewogene Perlage, in der Nase eine leichte Note von Cidre. Am Gaumen schmeckt man etwas Limette, Kiwi, aber vor allem weisse Grapefruit und etwas Birne, Hefe. Mir huscht auch noch die positive Assoziation von Pepita durch den Kopf. Am meisten aber beeindruckt der Wein mit seiner spannenden Textur. Das ist eine volle Ladung Pet-Nat, sehr einnehmend, mit viel Energie aber eben auch Eleganz und Balance. Ein echter Charakterkopf.

Fabien arbeitet seit 2009 als Winzer, zunächst in Frankreich und seit 2014 in der Schweiz. 2019 ist der zweite Petnat-Jahrgang von Fab und man darf gespannt sein, wohin seine weitere Reise geht!

Super Schluck 2019, Fabien Henriot (Neuchâtel, Schweiz). Pet-Nat aus Viognier, 12.5%. Direkt ab Weingut erhältlich für 24.- (ausverkauft)

Funkiness: clean | mild | wild

Pet’Nat‘ Rosé, Cave des Amandiers: Kunstvoller Walliser.

Für Monster und Geniesser: Pet-Nat Rosé aus Humagne Rouge

Sehr steil, sehr schön: Wer sich die Rebberge von Alexandre Délétraz anschaut, versteht schnell warum hier jemand sein Glück als Winzer versuchen will. Erst seit 2008 gibt es seine Domaine, zuvor hatte Alexandre noch sein Önologie-Studium abgeschlossen und war von Genf ins Wallis gezogen, getrieben vom Traum, Winzer zu werden und nicht ein Leben hinter einem Bürotisch zu verbringen. 6 Hektar betreut er heute, gearbeitet wird von Hand und alle Weine vergären spontan.

Seinen Pet-Nat habe ich per Zufall bei einem Genfer Weinhändler entdeckt und gleich bestellt. Neben dem Rosé von 2018 gibt es noch einen weissen Pet-Nat aus Petite Arvine aus dem Jahr 2019, den ich für den Moment aber noch im Keller ruhen lasse.

Der Rosé wurde aus Humagne Rouge gekeltert. Am Anfang ist die Perlage noch sehr intensiv – nicht überschäumend aus der Flasche, sondern druckvoll im Mund. Wandelt sich aber schnell und wird weicher, angenehmer. Es zeigen sich wilde Beeren, ein reifes Aroma, sehr harmonisch. Sehr schön in Begleitung zu Essen. Ein eleganter, lustvoller Pet-Nat.

Man merkt diesem Weinen die Energie Alexandre an, etwas handwerkliches, aber auch künstlerisches zu schaffen. Eine schöne Entdeckung.

Pet’Nat‘ Rosé 2018, Cave des Amandiers (Wallis, Schweiz). Pet-Nat aus Humangne Rouge, 13,3% Vol. Bei 1870 Vins et Conseil erhältlich für 19.-

Funkiness: clean | mild | wild

PetNat, Weingut zum Sternen: Premiere mit Stil

Nur eine von vielen verschiedenen Etiketten: Der PetNat vom Weingut zum Sternen schmeckt so frisch wie er aussieht.

Dieser Pét-Nat tanzt definitiv aus der Reihe. Wurde mit viel Mühe der individuelle Ausdruck einer einzigen Rebsorte herausgearbeitet? Nein. Trotzen die Winzer in einer abgelegenen Region ihren alten Reben unter widrigen Umständen mikroskopische Erträge ab? Definitiv nicht. Leben hier Aussteiger ihren Traum von naturnahen low-intervention Weinen? Fehlanzeige.

Dieser Pét-Nat ist das jüngste Kind des Weinguts zum Sternen. Unter den qualitativ hochstehenden, grösseren Weingütern der Schweiz ist es mit seinen ca. 25 Mitarbeitern mehr der Kategorie KMU denn den «artisans vignerons» zu zuordnen. Es bringt aber auch 500 Jahre Weinbautradition mit und hat mit dem Kloster Sion Reserve einen der besten Pinot Noirs der Schweiz im Angebot.

Und nun eben: Ein Pét-Nat. Und was für einer.

Da ich die Lancierung des Weines anfangs Jahr in Zürich verpasste, durfte ich die Weine mit etwas Abstand und mehr Ruhe im Juli zuhause probieren.

Was dem Wein an Naturwein-Credibility fehlt, macht er gewissermassen mit seiner irren Komposition wett. Nicht weniger als 200 Sorten von roten und weissen Trauben bilden nämlich die Basis dieses sehr frischen, subtil schäumenden Weines. Die biologisch gepflegten Trauben stammen aus der Rebschule Meier, die auch zum Weingut gehört und die grösste der Schweiz ist. 200, das ist viel. Von den einzelnen Traubensorten bleibt da nicht viel haften, aber da alle Trauben gleichzeitig und wohl auch tendenziell schon früh im Herbst geerntet wurden, resultiert daraus ein eleganter, lachsrosa-farbener Wein. Er ist vollmundig, schön cremig und zeigt leichte Aromen von Aprikosen und Beeren. Die Hefe ist dezent, es sind keine IPA-oder Cider-Noten präsent, wie sie oft bei kräftigeren, naturnaheren Pét-Nats zu finden sind.

Der Wein hält, was die optische Erscheinung verspricht: Ein leichter, erfrischender und sympathischer Pét-Nat mit Stil, der auch viele eher klassisch orientierte Weintrinker mit dieser Kategorie versöhnen dürfte. Die Premiere ist gelungen.

PetNat 2019, Weingut zum Sternen (Aargau, Schweiz). Pet-Nat aus 200 roten und weissen Traubensorten, 11% Vol. Direkt ab Weingut erhältlich für 25.-

Funkiness: clean.

Bubbles vom Walensee: Die Pét-Nats von Marco Casanova

Mit Jahrgang 2019 präsentiert der «Zauberer vom Walensee» und Biowinzer des Jahres 2017 seine ersten beiden Pét-Nats. Casanova produziert in Walenstadt auf verschiedenen Parzellen sehr feine und ausdrucksstarke Weine und wer seinen Rebberg Seemühle am Ufer des Walensees besucht, bekommt schnell ein Gefühl dafür, wie viel Platz für Natur ein konsequent biodynamischer Weinbau bieten kann: Es summt und blüht überall, und dazwischen wachsen saubere, gesunde Trauben.

Neben die klassischen Pinot Noirs, Chardonnays und anderen stillen Weine gesellen sich jetzt diese beiden Pét-Nats in rosé und weiss: Ein Pinot Saignée aus Trauben aus den verschiedenen Pinot Noir Parzellen und der Seyval Blanc von Trauben vom Hof Wynegg in Malans. Die beiden Weine sind sehr unterschiedlich in ihrer Aromatik, tragen aber beide deutlich die Handschrift von Marco Casanova. Sie sind in ihrer Art sehr authentisch, direkt und kompromisslos. Auch bei Casanova sind die Pét-Nats spontan vergoren, unfiltriert, ohne Schwefel.

Casanova Pét-Nat - Pinot Saignée
Wild und funky: Pét-Nat Pinot Saignée

Der Pinot Saignée hat eine herrliche Farbe wie frischer Grapefruit-Saft und ist ein richtig süffiger, aber dennoch feiner Tropfen. Im Geschmack wohldosierte Zitrusfrüchte (hier löst der Gaumen das visuelle Versprechen ein) und ein ganzer Korb voller roter Früchte. Das ist kein Experimental-Petnat mit Most-Stinker, sondern spritziger Pinot mit feinen Bubbles, einer herrlichen, cremigen Textur und schönen Hefenoten. 300 Flaschen wurden abgefüllt.

Casanova Pét-Nat - Seyval Blanc
Elegant und erfrischend: Pét-Nat Seyval Blanc

Der Seyval Blanc ist der etwas elegantere Bruder des Funky Saignee. Er schäumt deutlich weniger und hat eine eher kühlere, mineralischere, fast auch etwas zurückhaltende Art. Die Aromatik zeigt feine Aromen von Birne, leicht Melone, etwas Brotrinde und auch in Richtung Zitrus, weisser Grapefruit. Die Textur ist kalkig-cremig und macht den Wein sehr erfrischend. Zum Apéro und etwas Käse und Fleisch passt das sehr gut. 1000 Flaschen wurden produziert.

Aus dem Stand hat Casanova mit diesen beiden Weinen zwei sehr gelungene, kreative Pét-Nats produziert und wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung der Bubbles vom Walensee.

Pinot Saignée 2019, CasaNova Wein Pur (Walenstadt / St Gallen, Schweiz). Pet-Nat aus Pinot Noir, 12,9% Vol. Ab Weingut oder bei Rebwein erhältlich ab 20.- (ausverkauft)

Seyval Blanc 2019, CasaNova Wein Pur (Walenstadt / St Gallen, Schweiz). Pet-Nat aus Seyval Blanc, 12,7% Vol. Ab Weingut oder bei Rebwein erhältlich ab 20.-

Funkiness: clean | mild | wild